Die Aufhell- und Zielbegleitstationen RPZ 5N62 W
Ebenfalls im Feuerleitbereich standen zwei Aufhell- und Zielbegleitstationen RPZ 5N62 W (sog. „Aufhellstationen"), bestehend aus den Antennenposten K-1 W (Sende-/Empfangskabine; Gewicht je ca. 30 t) und den geschützt untergestellten Sattelaufliegern mit den Apparaturkabinen K-2 W (Gewicht je etwa 25 t).
Letztere bildeten jeweils den Gefechtsstand der FRA.
Die Aufgaben der Aufhellstationen bestanden darin, die nach den Angaben des AFS „SENESH" oder der AZM der FRAG über die Kabine K-9 M zugewiesenen Ziele aufzufassen. Weiterhin führten sie zuletzt mit dem noch 1989 im Zulauf befindlichen System „PAROL" - die Kennungsabfrage der Ziele durch, bestimmten deren Koordinaten, strahlten es laufend an („aufhellen") und begleiteten es. Die maximale Auffaßentfernung in Höhen über 10.000 Metern (quasi-optische Sicht) betrug für strategische Bomber über 400 Kilometer, für Jagdbomber ca. 300 und für Marschflugkörper etwa 170 Kilometer. Weiterhin berechneten die Aufhellstationen die Informationen (Sekundärinformationen) für die Kabine K-9 M und die Angaben für die Startautomatik. Sie bestimmten die Angaben für die Lenkköpfe der FAR, legten den Startzeitpunkt und den Start der Raketen fest, starteten nach Drücken des Startknopfes die befohlene Anzahl, kontrollierten die Lenkung der FAR und beurteilten die Schießergebnisse. Hauptbetriebsarten der Aufhellstationen waren die "Gefechtsarbeit", „Kontrollarbeit" und „Training".
Die Apparaturkabinen K-2 W
Die auf Sattelauflieger abgesetzten und in eigenen Schutzbauwerk untergestellten Kabinen K-2 W bildeten die Gefechtsstand der beiden Schießkanäle der FRA. Eine Filterventilationsanlage versorgte die Gefechtsbesatzung mit gereinigter Atemluft.
Fotos vko.ru
Links vom Eingang befand sich die Konsole des Startoffiziers. Er verarbeitete die Daten über das Ziel so, daß er dem „Großen Schießenden" in der K-9 M die Entscheidung darüber abnahm, ob sich ein Ziel innerhalb der Vernichtungszone befand und ob ein Start der Fla-Rakete ausgelöst werden konnte. Dazu verfugte er über das Startsichtgerät mit der Anzeige der Vernichtungszone und der Signale vom Lenkkopf der Rakete. Von hier konnte er den Start der Rakete auslösen. Dazu waren verschiedene Anzeigen vorhanden, die ihn über das jeweilige Regime der Vorbereitung informierten, in dem sich die Rakete befand bzw. ob diese zu Start freigeschaltet war.
Rechts neben dem Startoffizier befanden sich die Arbeitsplätze des FO Leiten und des FO Erfassen. Wichtigste Aufgabe der beiden FO war das Auffassen des zugewiesenen Zieles. Dazu befanden sich in der Kabine K-2 W in drei Blöcken das Sektor- und Konussichtgerät sowie ein Entfernungs- und Geschwindigkeitssichtgerät (Spektralanalysator). Hinzu kamen das Start- und Kontrollsichtgerät. Hierdurch waren die Zielsuche und das Steuern der Aufhellstation auf das zugewiesene/ausgewählte Ziel, die Identifizierung und das Erfassen des Zieles, die Kontrolle der automatischen Begleitung, die Bestimmung des Startmomentes und die Kontrolle der Rakete sowie die Beurteilung des Schießergebnisses gewährleistet.
Das Richten der Aufhellstation auf stets nur ein bekämpfbares Ziel konnte automatisch nach den Daten der Zielzuweisung erfolgen. War die Zielzuweisung ungenau, konnten die Antennen der Kabine K-l W wahlweise in zwei mechanischen Suchprogrammen, die automatisch abliefen, zur Zielsuche bewegt werden:
bei der „Sektorsuche" wurden die Antennen automatisch im Seitenwinkel geschwenkt und nach jeder Schwenkung im Höhenwinkel angehoben mit einer Raumabtastung. Die Steuerung der Achse der Antennenschwenkung nach dem Seiten- und Höhenwinkel nahm dabei der FO Leiten mittels Knüppelsteuerung am Leitpult der K-2 W vor, das „konische Suchen" führte zu einem kreisförmigen Schwenken des Antennenstrahles und einer damit verbundenen Verdoppelung des Öffnungswinkels.
Der FO Leiten konnte die Kabine K-1 W aber auch von Hand mittels zweier Handräder an seiner Konsole nach den Angaben der allgemeinen Luftlage vom Tochtersichtgerät der gekoppelten „OBORONA-P14" im Höhen- und Seitenwinkel ausrichten. Dazu steuerte er den Marker der Kabine K-1 W mit den Handrädern auf das Ziel, bis es auf dem Sichtgerät des FO Erfassen erschien.
Schließlich war ein Richten im Verfahren „Führender-Geführter" nach den Angaben einer Aufhellstation und des Höhenmessers PRW-17 möglich.
Seiner Bezeichnung entsprechend, hatte der FO Erfassen das Ziel aufzufassen und bei allen Arten von Störungen sicher zu begleiten. Hierzu standen ihm verschiedene Störschutzmöglichkeiten zur Verfügung. Die Begleitung des Zieles (anders das Ausrichten; s.o.) erfolgte ausschließlich im automatischen Regime, wobei mindestens nach drei Koordinaten (Seitenwinkel, Höhenwinkel und Radialgeschwindigkeit) sowie bei ausreichendem Signalpegel über eine „phasencode-manipulierte" Abstrahlung des Sendesignals zusätzlich nach der Entfernung begleitet wurde. Eine Ausnahme bildete die Verfolgung von besonderen Störträgern, die auch nach nur zwei Koordinaten (Seitenwinkel, Höhenwinkel) erfolgen konnte.
Der vierte Soldat in der Gefechtsbesatzung der K-2 W war der sog. „Kleine Schießende", i.d.R. der Kommandeur-FRA. Er überwachte die Arbeit in der Kabine, hielt die Verbindung zum „Großen Schießenden"/Kommandeur-FRAG in der K-9 M und zu dem ihm unterstellten Offizier der Startausrüstung in der Startleitkabine K-3 W.
Im hinteren linken Teil der Kabine befand sich der Simulator und die Kopplungsapparatur zur „OBORONA-P14". Der Hauptteil der rechten Kabinenseite nahm die Ein Schübe des Abtastempfängers auf. Im vorderen Teil befand sich die Kopplungsapparatur mit der Kabine K-1 W und darunter der Rechner.
Bei dem Rechner vom Typ „PLAMJA-KW" handelte es sich um einen „Universal-Einadress-Serien-Rechner" mit festem Programm auf Halbleiterbasis. Seine Aufgabe bestand im Errechnen der Sekundärinformationen nach den Angaben der Zielzuweisung oder nach den Angaben der eigenen Aufhellstation (bei automatischer Begleitung des Zieles), im Abarbeiten der Angaben der Zielzuweisung, Berechnen der Koordinaten des durch die Aufhellstation der anderen FRA begleiteten Zieles für den Betrieb „Führender-Geführter", im Bestimmen der Angaben der Rückinformation der Aufhellstation sowie der Ausgangsangaben für die Startautomatik und in der Durchführung der Funktionskontrolle.
Die Zahlen und Kommandos wurden in einem Dualcode eingegeben. Der Rechner verfügte über einen operativen Magnetspeicher mit 256 Speicherplätzen und einen Festwertspeicher mit 4.096 Speicherplätzen. Die Zeit zur Herstellung der Arbeitsbereitschaft betrug zwar nur wenige Minuten. Bedingung dafür war aber die Arbeitsbereitschaft der Thermostate mit einer Anlaufzeit von ca. 30 Minuten. Der Rechner war für eine ununterbrochene Funktion von etwa einem Tag ausgelegt. Er arbeitete in den Regimen „Wartebetrieb", „Abarbeiten der Angaben der Zielzuweisung" und „automatische Zielbegleitung eines Trägers aktiver Störung".
Antennenposten K-1 W
Die auf dem Hügel des Schutzbauwerk aufgestellte Sende- Empfangskabinen K-1 W enthielt im unteren Teil den Sender für die HF-Strahlung, die HF-Stufen des Empfängers, die Antriebe der Kabine, die Hochspannungsanlage und die Hochspannungsstabilisierung. Der Sender diente der Formierung, Verstärkung und Aussendung des Sendesignals sowie -bei Bedarf - dessen Modulation. Er suchte damit das Ziel („Aufhellen") und begleitete es automatisch, empfing das vom Ziel reflektierte Sendesignal, übermittelte die Freund- Feind-Kennungsimpulse, empfing deren Antwortsignale und die Signale des Raketenantwortsenders der Rakete.
Foto Badingen 1992
Foto Dobris fortifikace.net/pov_pvos_skupina_vega.html
Da die Station im CW-Modus arbeitete, existierten getrennt eine Sendeantenne (großer Spiegel) mit einem Hornstrahler und eine Empfangsantenne (kleiner Spiegel) mit vier Aufnahmen für den Höhen- und Seitenwinkel. Beide Antennen waren elektromagnetisch durch das sog. „Messer" getrennt. Hier war auch der Hornstrahler der Zielunterdrückungsantenne des Kennungssystems „PAROL" installiert, mit dem das Aussenden sowie der Empfang des Kennungssignales abgewickelt wurde. Die kreisförmige Antenne an einem Ausleger auf der rechten Seite war die Empfangsantenne des Raketenantwortsenders („KRO-Spiegel") beim Abriß der automatischen Begleitung der Raketen bzw. wenn die FAR das sog. „Suchregime" begann. Die gesamte Kabine K-1 W war im Seitenwinkel um 360 Grad bei einer max. Drehgeschwindigkeit von weniger als 20 Grad pro Sekunde drehbar.
Der obere Teil der Kabine K-1 W (der sog. „Container" mit der eigentlichen Antennenanlage; im Einsatz unbesetzt) konnte zu Kontrollzwecken gekippt werden. Die Verbindung zum unteren Teil stellten Hohlleiter her.
Für die Aufstellung des Antennenpostens und die Montage/Demontage der Antennen war eine ebene Fläche von 20 x 10 Meter erforderlich; ein Raum von ca. 10 x 10 Metern wurden für die Kabine benötigt. Die Zeit für die Überführung des Antennenpostens aus der Marsch- in die Gefechtslage und umgekehrt sollte bei etwa acht Stunden liegen. Die Arbeit der Aufhellstation war auch unter Einwirkung aktiver und passiver Störungen durch den Gegner möglich.
Beide Aufhellstationen der Schießkanäle wurden in einem Kreisbogen um die K-9 M aufgestellt, wobei die Kabine K-2 W sowie die Verteiler- und Umformerkabine K-22M sich in einer gemeinsamen Deckung befanden.
Foto Prangendorf 1992 (earl of tessin)
Exkurs: Die Traglufthalten
Der Höhenmesser PRW-17 und die Kabinen K-1 W waren unter drei kugelförmigen Traglufthallen („Ballons" oder „Blasen") auf kreisförmigen Wänden aus Fertigbetonteilen vor Witterung geschützt untergebracht. Die Ballons boten den Mechanikern bessere Arbeitsbedingungen. Gebläse und Schleusen sorgten für den erforderlichen Überdruck. Die vierte „Blase" verbarg einen für die Ausstrahlung von Dauerstrichsignalen modifizierten PRW-9 als Täuschsender. Eine weitere „Blase" diente zur optischen Vortäuschung einer theoretisch möglichen Fünf-Kanal-Variante; sie war leer. Vom Stationierungsort waren die im Gelände verstreut liegenden Traglufthallen im Durchmesser von mehr als 20 Meter und einer Höhe von etwa 12 Metern weithin sichtbar. Da aus dem Führungsraum der Luftdruck in den Kuppeln exakt überprüft und gesteuert werden konnte, hatte der Diensthabende des Gefechtsstand - etwa bei einem Stromausfall - die Möglichkeit, sofort Maßnahmen gegen ein Zusammenfallen einzuleiten.